Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am Fred-Meier-Platz in Littfeld

 

Anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags fand auch in diesem Jahr am 27. Januar am Fred-Meier-Platz in Kreuztal-Littfeld traditionell die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Das Gedeken war wohl selten so aktuell wie in diesem Jahr. Der Platz in Kreuztal ist benannt nach Fred Meier. Der dreijährige Junge wurde mit seinen Eltern im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sein Todestag ist unbekannt.

Organisiert wurde die Gedenkstunde wie in jedem Jahr von der Stadt Kreuztal in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V. Neben Bürgermeister Walter Kiß richtete auch der Vorsitzende des Integrationsbeirats der Stadt Kreuztal, José Sobrino Ramirez, einen Wortbeitrag an die Teilnehmenden. Der Kinderchor der Adolf-Wurmbach-Grundschule in Littfeld steuerte einen Musikbeitrag bei. Für die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland sprach Werner Stettner, ehemaliger kathloischer Vorsitzender. Die Rede wird im Folgenden wiedergegeben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal möchte ich mich bedanken, dass ich heute, am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus zu Ihnen sprechen darf. Ich war lange Zeit Mitglied des Vorstandes der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V.

Seit 1983 treffen sich hier am Fred Meier Platz in Littfeld Menschen, die durch ihr Erscheinen dokumentieren, dass ihnen die Verbrechen der damaligen, übrigens demokratisch gewählten Regierung bewusst sind und die daran mitarbeiten wollen, dass sich ähnliches in ihrem Verantwortungsbereich nicht wiederholen kann. Und wir sind verantwortlich, Demokratie ist keine nette Beigabe, die wir im Supermarkt zum Ramschpreis haben können, all inclusive schon gar nicht. Wir brauchen Tage und Orte wie diesen, um uns über diese grundlegende Selbstverständlichkeit immer wieder neu zu verständigen. Uns auch zu stärken in unserem Bemühen.
In der Vergangenheit hatten wir häufig Hilfe. Zwei Menschen, die den Naziterror Gott sei Dank überlebt hatten, Artur Ravanski und Michaela Vidláková, sind gerne hierher gekommen, um uns zu unterstützen. Besonders gefreut haben sie sich darüber, dass hier in Littfeld auch Jugendliche im Glonk an dieser Gedenkarbeit teilgenommen haben und es auch immer noch tun. Artur Radvanski ist leider verstorben und die 87-jährige Michaela Vidláková reist nicht mehr gerne im Winter. Ich soll sie aber alle herzlich von ihr grüßen und Ihnen ausdrücklich danken.
Fred Meier und seine Familie können es nicht mehr, sie wurden deportiert. In den Osten – hieß es damals beschöningend und verschleiernd und sie wurden dort ermordet. Heute heißt das in AfD-Sprech „Remigration“ nach Nordafrika, wahrscheinlich ist das gleiche gemeint. Sie mussten sterben, weil es an mutigen Menschen gemangelt hat.
Aber wir heute können und müssen mutig und aufrecht sein, in dieser Zeit, in der alles so schwankend erscheint, in der sicher geglaubte Errungenschaften von 75 Jahren Demokratie anscheinend zur Disposition stehen.
Aus der AfD heraus kann die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin als „Ort der Schande“ diffamiert werden. Der immer noch vorhandene Antisemitismus verstärkt sich wieder. Juden, und nicht nur die, haben berechtigte Sorgen um ihre Sicherheit in Deutschland. Wo sind Zeichen unserer Solidarität sichtbar? Dabei meine ich nicht die Betroffenheitsreden derer, auf die die Fernsehkameras gerichtet sind. Ich frage mich und Sie, hier!
Es ist ermutigend im Fernsehen und in der Presse mitzuverfolgen wie endlich deutschlandweit Menschen in großer Zahl auf die Straße gehen, so auch  vorgestern über 5000 Menschen auf dem Bismarckplatz in Weidenau, um zu dokumentieren, dass Demokratie ein schützenswertes, hohes Gut ist. Das klingt sehr abstrakt, man kann es aber sehr konkret darstellen. Machen Sie doch mal Ihren Kindern, Enkeln klar, dass ihre Klassen-und Spielkameraden gemeint sind, wenn von diesen abstrusen Ausweisungsplänen, der „Remigration“, die Rede ist. Ihre Nachbarn und Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen sind auch gemeint. Was ist zu tun?
Eine Orientierung hat uns Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, mit ihrer Rede zum gleichen Anlass im Jahr 2021 gegeben. Ich zitiere: “Es geht nicht nur um den Schutz jüdischer Menschen. Denn wo Antisemitismus Platz hat, kann jede Form von Hass um sich greifen – Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Menschenverachtung jeder Couleur. Der Kampf dagegen ist ein Kampf für die Menschenwürde, für Demokratie, für Einigkeit, für Recht und Freiheit.”

Es gibt viel zu tun, hier bei uns und jeden Tag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Text: Werner Stettner)