Ein bisschen Corona aus Israel

Liebe Besucherin, lieber Besucher unserer Homepage!

In unserem Rundbrief vom 09.04.20 haben wir angekündigt, dass an dieser Stelle in den nächsten Tagen voraussichtlich ein Bericht über das Leben und die Ereignisse der letzten Wochen in Israel erscheinen wird.

Oliver Vrankovic, ein Referent, der im letzten Jahr im Café Cucu in Siegen über das Alltagsleben in Israel referiert hat, hatten wir dazu angefragt.

Aktuell teilt er mit, dass es ihm leider nicht möglich ist diesen Artikel zu verfassen. Er ist in Israel als Altenpfleger tätig. Es ist leicht vorstellbar, dass er es zeitlich und auch mental im Augenblick nicht schafft dieser Aufgabe nachzukommen.

Da wir Sie aber gerne trotzdem partizipieren lassen möchten, stellen wir Ihnen an dieser Stelle einige seiner Beiträge, die er auf Facebook veröffentlicht hat, in Auszügen (unverändert) zur Verfügung. Wir haben von ihm die Erlaubnis dazu erhalten.
Da es sich um persönliche Berichte handelt sind sie natürlich subjektiv gefärbt. Das bitten wir beim Lesen zu berücksichtigen.
Wer seine ausführlichen Posts lesen möchte kann bei Facebook einfach seinen Namen eingeben. Der Oliver Vrankovic mit der Unterschrift „Kichererbse“ ist der Richtige. 🙂

Seine Berichte nennt er „EIN BISSCHEN CORONA AUS ISRAEL“!

 

EIN BISSCHEN CORONA AUS ISRAEL

8. März 20
Die Israelis hamstern Konserven, Nudeln, Wasser und Toilettenpapier

16. März 20
In 13 Jahren wurde ich zu verschiedenen Anlässen, die Israel in die internationalen Schlagzeilen gehoben haben, gefragt, ob ich keine Angst habe und ich hatte nie Angst. Und jetzt laufe ich ins Heim zur Arbeit. 40 Minuten zu Fuss. Weil ich Angst habe, den Linienbus zu benutzen.

17. März 20
Die Israelis haben sich etwas ganz rafiniertes ausgedacht, um die Leute zu Hause zu halten. Die Kinder mit Home learning überfrachten und Aufgaben zu stellen, die zu lösen den Eltern alles abverlangt.

18. März 20
Seit gestern gilt eine Ausgangssperre, die noch nicht mit der Staatsgewalt durchgesetzt wird. Bei mir im Viertel sind tatsächlich wenige Menschen auf den Straßen und gehen sich dort tatsächlich aus dem Weg.
Wie überall auf der Welt wird viel gehamstert und es gibt auch hier unzählige Witze über den run auf Klopapier.Bei den Orthodoxen, die seit Jahrzehnten machen was sie wollen funktioniert das social distancing wenig gut. Gestern war in Beit Shemesh eine Hochzeit mit 150 Gästen. Es war nie ein Vergnügen unweit von Bnei Brak zu wohnen. Jetzt ist es besonders unangenehm.Meine Tochter lernt von zu Hause und darf nur 10 Minuten aus dem Haus und dann nicht auf den Spielplatz. Noch funktioniert diese neue Routine nicht ohne Spannungen.
Masken fehlen überall im Land und auch sonst ist es eine Herausforderung sich hier zu schützen. Und schützen sollte man sich in einem Land, dessen Gesundheitswesen in den letzten Jahren krass heruntergewirtschaftet wurde. Die Voraussagen sind apokalyptisch (Tausende Tote).

19. März 20
Ich hab jetzt eine Art Passierschein. Ein Dokument, das mir erlaubt, mich draußen aufzuhalten, wenn es demnächst zur Durchsetzung der Ausgangssperre kommt.
Der Israelische Staatspräsident liest aus einem Kinderbuch um den Kindern die jetzt schon quälende Heimquarantäne zu erleichtern. Der Mann ist fantastisch.

20. März 20
Die Anzahl der Infektionen steigt rapide und der Wettlauf um die Schaffung von Kapazitaeten fuer die Behandlung der zu erwartend hohen Anzahl von schweren Faellen ist in vollem Gang. Hier muss in Tagen aufgeholt werden, was in Jahren versaut wurde.

22. März 20
Viel Grund nicht pessimistisch zu sein gibt die Realität hier nicht her. Breit angelegte Tests, die vom Premier jetzt schon mehrfach zur Prime Time versprochen wurden laufen sehr schleppend an. Was die Infektionsrate angeht sind wir inzwischen fast vierstellig und seit gestern pro Million bei über Hundert. Und die Ausgangsrestriktionen werden nicht nur nicht gänzlich befolgt, sondern schaffen in absehbarer Zeit Probleme ganz anderer Art.
Pessach steht vor der Tür und ich hab jetzt schon von mehreren Leuten gehört, dass sie „auf keinen Fall“ darauf verzichten, in großem Familienkreis zu feiern. Und den Leuten, die denken, die Situation wäre schlecht für die Religionen, sei gesagt, dass ich von Leuten, von denen ich es nicht erwartet hätte, höre, dass Zusammenstehen an Pessach und Rückbesinnung auf Religion hilft, Korona zu besiegen. Im Gemüseladen gestern haben sie sich gefreut, dass Tel Aviv jetzt auch Shabat hält und „auf den richtigen Weg“ kommt.
Besuch ist im Heim schon seit einer Woche nicht mehr erlaubt, auch nicht von den eigenen Kindern.

25. März 20
Gesundheitskrise, Wirtschaftskrise, politische Krise. Drei in dieser Art beispiellose Krisen zur gleichen Zeit.

27. März 20
Gesundheits- und Wirtschaftskrise haben sich noch einmal verschärft. 2639 Kranke und acht Tote und ein Premier, der gestern Abend unmissverständlich klar gemacht hat, dass die volle Ausgangssperre um die Ecke ist und seit heute Polizei auf den Straßen um die Leute nach Hause zu schicken. Auch in den orthodoxen Städten und Vierteln. Berichte über die Anzahl der Beatmungsgeräte im Land sind sehr beunruhigend. Die Arbeitslosenquote von 21.2% in einem Land, das seit Jahren Vollbeschäftigung kennt und in dem Arbeitslosigkeit ein hartes Los ist vermiesen die Stimmung noch weiter.

31. März 20
Israel hat gestern paar Millionen Masken besorgt und damit einen der vielen Engpässe bei der Verhinderung der Ausbreitung von Korona zumindest temporär beseitigt. Das Heim hat heute eine Ladung Masken erhalten. Bekommen jetzt pro Schicht eine zugeteilt und müssen sie nicht mehr selbst irgendwo besorgen um der Pflicht sie bei Arbeit zu tragen nachzukommen.

02. April 20
6808 Infizierte (787/1 Mio., vgl. D 975/1 Mio.), davon 1000+ in Bnei Brak (451/100.000).
Bnei Brak, wo die Zahl der Neuinfektionen/Tag zehnfach höher ist als in Tel Aviv, und die Infektionsrate vermutlich bald bei 1/3 liegen wird, ist inzwischen abgeriegelt.
Die Ausbringung der Kranken in Korona Hotels koordiniert die Heimatfront, die sich an die Polizei wendet, wenn dafür Gewalt nötig ist. Die Polizei ist mit Fallschirmjägern und Kommandosoldaten verstärkt.
Die sogenannte Jerusalem Fraktion, eine extreme Sekte, widersetzt sich bis heute den Anweisungen des Gesundheitsministeriums und betreibt weiter Schulen und öffnet Synagogen.

6. April 20
Ein Teil der Lobby des Heims ist gegen den Vorhof verglast. Zwischen diesem Teil der Lobby, in dem der Fernseher steht, und der Straße, sind Büsche gepflanzt, ein kleiner Weg führt aber direkt an den Scheiben vorbei. Dort finden sich in letzter Zeit öfters Angehörige ein, die ihre Liebsten dann durch das Glas sehen und dabei mit ihnen am Handy reden. Es ist herzzerreisend.

7. April 20
Die nächsten Tage werden für das weitere Schicksal dieses Landes entscheidend sein. Die israelischen KKH sind für eine große Zahl von Intensivpatienten nicht gerüstet und entsprechend gilt die größte Aufmerksamkeit der Zahl der Korona Infizierten, die beatmet werden müssen. Noch steht Israel gut da.
Nach vermeintlich starkem Beginn im Kampf gegen die Ausbreitung von Korona mit entschlossen verhängten Restriktionen und dem Versprechen die Tests auf 30.000/Tag zu erhöhen, gab es zuletzt die Ernüchterung. Die Zahl der Tests reicht nicht nur nicht annähernd an 10.000/Tag heran, sondern stagniert, bzw. ist die letzten Tage sogar rückläufig.
Zu Beginn der vergangenen Woche bekam Israel mit einem sprunghaften Anstieg der Anzahl der Infizierten die Quittung dafür, mit den Restriktionen (auch auf Anraten des Gesundheitsministers!) bis nach Purim gewartet zu haben und sich danach lange blind gegenüber den Ultraorthodoxen gezeigt zu haben, denen die verhängten Einschränkungen zu großen Teilen so egal waren, wie ihnen die staatlichen Regelungen des Zusammenlebens auch sonst egal sind.

8. April 20
Mein 10. Seder Abend im Heim und alles wird anders sein als bei den vorangegangenen Seder Abenden. Das Essen wird hoffentlich ***** sein wie man es hier an Feiertagen gewohnt ist, aber gegessen wird es isoliert und abgeschnitten von den Familien. Auf der Pflegestation haben wir sonst die Tische zu einem großen Kreis gestellt und feierlich gedeckt (wofür wir von der Feiertagsschicht extra früher gekommen sind) und den Tisch für den Rabbi vorbereitet, der die Geschichte liest, und für den Musiker aufgebaut, der Pessach Lieder zum Besten gibt. Heute stellen wir sicher, dass die Tische weit genug auseinanderstehen. Familien werden keine da sein.
Um zu verhindern, dass sich der Virus heute Abend in Israel krass verbreitet wurden Maßnahmen getroffen, die dies wirklich verhindern könnten und auch meine pessimistische Einschätzung korrigiert haben. Die eine Maßnahme von Seiten des Staates besteht aus 46 Straßensperren quer durch das Land und unzähligen Checkpoints an Ein- und Ausgängen zu Städten (in Jerusalem sogar an Ein- und Ausgängen zu verschiedenen Vierteln) seit gestern Abend und einem Verbot sich mehr als 100m vom Haus wegzubewegen ab heute 15 Uhr. Zur Durchsetzung werden Polizei und Armee überall präsent sein. Es sollte also schwer möglich sein die geplanten großen Zusammenkünfte durchzuziehen.

09. April 20
Es hat funktioniert und uns etwas vor Augen geführt, was uns über die heftigen Grabenkämpfe hinweg aus dem Blick geraten ist. So aggressiv hier gestritten wird und so oft dabei alle roten Linien überschritten werden, so sehr weiß man bei Gefahr zusammenzustehen. Auch wenn dies bedeutet DEN Festtag des Jahres, an dem sich traditionell mindestens zwei Dutzend Angehörige einer Familie zusammenfinden, nur mit denen zu begehen, die in der gleichen Wohnung wohnen.
In verschiedenen Ecken des Landes wurde über die Balkone hinweg zusammen gesungen und auf Kanal 2 wurde in einer nicht endenden Schalte zwischen unzähligen Häusern von Prominenten die Hagadah gelesen und wurden Lieder gesungen. Von Rivlin über Netanyahu und Gantz bis Lapid und Shaked und von Herzog über Ori Sasson, Bar Rafaeli bis Sarit Haddad, Shlomi Shabat, Rita und Eyal Golan. Alle Promis feierten den Seder Abend augenscheinlich entsprechend der Vorgaben des Gesundheitsministers. Fast alle. Die Ausnahme machte – Überraschung – Netanyahu, der, obwohl in Quarantäne, einen Meter entfernt von seinem Sohn Avner, der nicht mit ihm wohnt, saß.
Die fast vollständige Ausgangssperre (erlaubt war sich bis zu 100 Meter vom Haus wegzubewegen) ist seit heute morgen aufgehoben und die generelle Regelung wieder in Kraft (wonach es ebenfalls nicht erlaubt ist sich mehr als 100 Meter vom Haus zu entfernen, außer zum Einkaufen). Die Straßensperren und Checkpoints und das Verbot sich zwischen Städten zu bewegen werden morgen früh aufgehoben.

11. April 20
Liebe Israelfreunde: Kein Regelflugbetrieb bis September.

14. April 20
Die Altenheime rücken in den Fokus der Krise und die Armee wacht jetzt über die Eingänge und wir wurden endlich getestet. In der Gesellschaft macht sich zunehmend Disziplinlosigkeit breit und dies angefeuert durch Übertretung der Restriktionen ausgerechnet durch diejenigen, die Vorbild sein müssen. Und die größte Herausforderung nach Pessach – Maimouna – steht an.

16. April 20
Testergebnis da. Negativ. Lasst euch umarmen. Virtuell.
Hunderte Ultraorthodoxe haben gestern Abend dicht aneinander gedrängt in den Straßen von Mea Shearim gebetet.

20. April 20
Heute Abend beginnt der Gedenktag an die Opfer des Holocaust und die Helden des Widerstands. Das Gedenken findet in diesem Jahr im Schatten von Korona statt und bedeutet für die letzten Überlebenden, isoliert von ihren Familien zu sein, Kindern, Enkel, Urenkel, die für sie den späten Sieg über die Nazis bedeuten. Nicht wenige Korona Opfer in Israel waren Holocaust Überlebende. Der Tag des Gedenkens wird sonst mit der Schließung des Vergnügungsbetriebs eingeleitet, die dieses Jahr auf den Straßen kaum spürbar sein wird, da der Vergnügungsbetrieb schon seit einem Monat ruht. Gleichwohl wird die Umstellung des TV Programms auf ausschließlich Holocaust Dokumentationen die Erinnerung in jedes Haus tragen, in dem der Fernseher zum Mittelpunkt des Lebens geworden ist. Noch mehr im Schatten der Seuche wird das Gedenken an die Gefallenen der Kriege und die Opfer des Terrors in einer Woche stehen, da die Israelis an diesem Tag zu Hunderttausenden auf die Friedhöfe gehen. Die Absage der Feiern des Unabhängigkeitstags, der unmittelbar an den Gefallenen Gedenktag anschließt wird nach dem Verhindern von Zusammenkünften zu Pessach und Maimouna zu einer weiteren Herausforderung für die Polizei. Dieser Tag sieht sonst Millionen von Israelis am Abend zu den Tausenden Konzertbühnen und Hunderten von Straßenfesten strömen und am nächsten Tag bei BBQs. Zu allem kommt dann noch der Fastenmonat Ramadan, der bei einem Anteil von Muslimen von 1/6 im Land auch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt.
Von uns mit großer Sorge verfolgt wurden gestern einige der strengen Restikonen gelockert. Die Rücknahme mancher Einschränkungen und die teilweise Öffnung des Landes erfolgte in kaum zu überbietender chaotischer Weise. Die neuen Regelungen wurden vom Premierminister zur Prime Time verkündet und vom Gesundheitsministerium zirkuliert und danach erst im Kabinett diskutiert. Die Ausführungen des Premiers, der inzwischen auf fast zweieinhalb Stunden Prime Time Auftritt ohne Rückfragen kommt, waren so kompliziert, dass danach in den sozialen Medien verkündet wurde, dass das Technion Jeden, der sie verstanden hat, in jeden Studiengang aufnimmt. Die Ansprache am Samstag Abend kreierte ein Durcheinander und vieken Ladenbesitzern war Sonntag nicht klar, ob sie ihr Geschäft nach den neuen Richtlinien öffnen dürfen oder nicht und unter welche Bedingungen genau sie für eine Öffnung erfüllen müssen. Inzwischen wurde etwas Aufklärung betrieben und im Prinzip bleiben Spielzeugläden und Geschäfte in Einkaufszentren mit mehr als 15 Geschäften geschlossen, während andere Geschäfte öffnen dürfen, wenn sie Kundendaten festhalten und auf Masken, Abstand und Desinfektion achten. Take Away ist noch nicht erlaubt.
Eine große Kontroverse gibt es hinsichtlich Friseuren und Schönheitsstudios. Beides beginnt sich als Schwarzmarkt mit Heimbesuchen zu formieren und um dem entgegenzuwirken sollen spezielle Richtlinien erstellt werden, die zumindest die Öffnung von Friseuren in absehbarer Zeit ermöglicht. Wer Israel halbwegs kennt weiß, dass Nägel und Wimpern machen auch dringend geregelt werden muss.
Firmen dürfen wieder 30% der Angestellten in der Firma selbst beschäftigen und die Rate soll schrittweise erhöht werden.
Die Öffnung geht vor Allen den Selbstständigen nicht weit genug und ein großer Protest gestern hat vor Augen geführt, wie gefährlich deren Unzufriedenheit dem ohnehin stark angeschlagenen politischen System werden kann. Zu einer Art Stimme der Selbstständigen, die fatale Folgen im Fall einer Aufrechterhaltung eines strengen Korsetts für die Wirtschaft voraussagen, wurde ein Falaffelverkäufer aus Diashow, der gestern die Zuschauer der Hauptnachrichten zu Tränen gerührt hat.
Zur Rücknahme persönlicher Einschränkungen gehört die Erweiterung des Radius, in dem es erlaubt ist Sport zu treiben auf 500 Meter vom Haus, während sonst die 100 Meter noch gelten. Beten in Gruppen bis 19 im Freien unter Einhaltung des Abstands ist jetzt erlaubt. Bei der Regelung der gemeinsamen Kinderbetreuung setzt es bei mir aus. Irgendwas mit drei Familien, die sich fest zusammentun und feste Betreuerin für bis zu drei Kinder aus verschiedenen Familien. Und das allerwichtigste Problem wurde bisher ganz ausgeklammert. Und dass obwohl eine Rückkehr der Angestellten in die Firmen ohne eine Wiederaufnahme des Unterrichts in der Schule überhaupt nicht möglich sein wird. Aber wie in jedem anderen Land tut sich hier eine Zwickmühle auf. Gehen die Kinder nicht zur Schule können die Eltern nicht zur Arbeit. Zudem kommt in einem Land, in dem die sozioökonomische Ungleichheit besonders krass ausgeprägt ist dazu, dass das digitalisierte Lernen von Weitem die Ungleichheit in einem Land reproduziert, in dem ein Teil der Kinder aus IT Familien kommt und ein Teil der Familien keinen Computer oder nur einen Computer für drei oder vier Kinder hat. Und die Belastungsgrenze ist bei den ärmeren kinderreichen Familien ohnehin erreicht. Auf der anderen Seite werden Kinder hier wie überall sonst andere Kinder anstecken und diese dann ihre Eltern und diese dann je nachdem wo sie arbeiten die Risikogruppen (oder sie gehören sogar selbst dazu).

26. April 20
15.398 Infizierte (8.596 aktive Fälle), 200 Tote, 100 Beatmete.
Wie fragil die bisherigen Erfolge im Kampf gegen den Virus sind, zeigt ein Ausbruch in Netivot, der einer unerlaubten Zusammenkunft an Pessach gefolgt ist und die Abriegelung der Stadt zur Folge hat.
Der Einsatz der Polizei in Mea Shearim hat inzwischen zu einigen gewaltsamen Zusammenstößen geführt.
Die Pflicht Masken zu tragen wurde über eine Woche lang nicht durchgesetzt. Erst jetzt ist die Polizei mit den entsprechenden Strafzetteln, mit denen Verstöße geahndet werden, unterwegs.
Die angesichts von inzwischen 1,1 Mio nicht Beschäftigten notwendige Öffnung mit dem Gebot der weiteren Eindämmung der Seuche zu verbinden scheint ganz ganz schwierig. Seit heute sind alle Straßengeschäfte offen, Friseure und Schönheitssalons und von außen betretbare Geschäfte in den Einkaufszentren. Alles unter den strengen Vorgaben Fieber der Kunden zu messen und ihre Daten aufzunehmen. Take away und die Aufhebung der Entfernungsbeschränkung für Sport treibende (derzeit 500 Meter) werden nächste Woche in Kraft treten.
Eine große Kontroverse gibt es natürlich auch um den Gedenktag für die Gefallenen. Für viele Familien ist der Gedanke, nicht an die Gräber zu können, unerträglich. Hinsichtlich des Unabhängigkeitstag scheint dagegen so etwas wie eine geteilte Einsicht da zu sein, nicht zu Millionen draußen zu feiern. Ausgetauscht wird sich statt dessen darüber, wie (un)verantwortbar es ist, wenn evtl. zwei Familien sich zum BBQ zusammentun.

05. Mai 20
Abgesehen von einigen flaws wie dem Herauszögern nach Purim und der nicht nachvollziehbaren vielfachen Nicht-Durchsetzung am Flughafen haben die früh verhängten und Schlag auf Schlag verschärften Restriktionen, wie Ausgangssperren an Feiertagen, Abriegelung von Infektionsherden, Tracking und Isolierung von Menschen, die mit Infizierten in Kontakt gekommen sind und ein generelles Verbot, sich ohne Grund mehr als Hundert Meter vom Haus weg zu bewegen, dazu geführt, dass die Kurve weit vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems abgeflacht wurde. Die vergleichsweise niedrige Sterberate hat mit der Altersstruktur zu tun aber auch, wie der Kommentator Amnon Abramovich herausstellte, mit der vorzüglichen Arbeit der Ärzte, Schwestern, Pfleger und SozialarbeiterInnen in der Krisensituation und Abramovich erinnerte daran, dass unter diesen Helden viele Araber sind.
Die Kehrseite der erfolgreichen Eindämmung von Corvid-19 in Israel ist der immense Schaden für Wirtschaft und die mehr als eine Million Menschen, die im unbezahlten Urlaub sind oder ihr Auskommen ganz verloren haben. Die Spannungen, die durch Geldnot, Zukunftsängste und stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit katalysiert werden, entladen sich immer öfter in Gewalt.
Das Dilemma für Israel besteht darin, dass die Öffnung, die anhand der Zahlen geboten scheint, und immer weiter forciert wird, die Gefahr birgt, alle Erfolge im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus einzubüßen.
Inzwischen wurde das Anfangschaos der Ladenöffnungen dahingehend aufgelöst, dass fast alles offen ist und bald alles. Die Malls werden Donnerstag öffnen und auch die Öffnung von Fitnessstudios, der Gastronomie und der Hotels ist nur noch eine Frage der Zeit. Verhindert soll dass Ansteigen der Zahl der schwer Kranken auf 200, das ein Wiederinkrafttreten der Restriktionen auslösen würde, trotz der Öffnung durch das lila Siegel, dass ähnlich einem Kosher Zertifikat, anzeigt, dass in betreffendem Geschäft alle Vorgaben wie Fiebermessen und Abfragen der Kundendaten befolgt werden. Für Gastronomie und Hotels müssen wie zuvor für Friseure, zusätzlich passende Vorgaben gefunden werden.
Mit dem Aufheben der 100 Meter Beschränkung fällt auch die Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit. Und auch das Kontaktverbot zu älteren und damit gefährdeten Menschen wird aufgeweicht und Treffen zwischen Verwandten ersten Grades erlaubt.

 

Mit diesem Beitrag endet die Reihe „Ein bisschen Corona aus Israel“. 
Wir hoffen Ihnen damit einen kleinen Einblick in diese besondere Zeit aus israelischer Sicht geliefert zu haben und danken Oliver Vrankovic für seine Genehmigung.

Beim Lesen stellt man immer wieder fest, dass Vieles ähnlich verlaufen ist und verläuft, wie hier in Deutschland und dass auch Vieles ähnlich gehandhabt wurde und gehandhabt wird wie hier.

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